Das steuerliche Ehegattensplitting … ist es noch zeitgemäß? Ein paar kritische Gedanken hierzu:

Unsere gesellschaftliche Realität sieht inzwischen anders aus als das steuerliche Ehegattensplitting!

Das Bild der lebenslangen Ehe, das gern immer noch in unserem Wunschdenken und in unseren Hinterköpfen herumspukt, hat sich gewandelt; Familien haben sich gewandelt.
Eingetragene Partnerschaften, Patchworkmodelle, Elternschaft ohne Eheschließung, die Varianten sind vielfältig und das ist auch gut so.
Da drängt sich der Gedanke auf, das Steuerrecht „hinke“ der Entwicklung hinterher …

Eine Klägerin vor dem Bundesverfassungsgericht formuliert es aktuell so:
Das steuerliche Ehegattensplitting sei ein „antiquierter Klassiker“.

Was ist das steuerliche Ehegattensplitting überhaupt?

Wikipedia – die freie Enzyklopädie – erklärt dazu:

„Der Begriff Splittingtarif … beschreibt den für zusammenveranlagte Ehepaare anwendbaren Steuertarif. Hierbei wird folgendes Verfahren verwendet:
Das zu versteuernde Einkommen (zvE) der Ehegatten wird ermittelt und halbiert (gesplittet).
Für das halbierte zvE wird die Einkommensteuer nach dem geltenden Einkommensteuertarif berechnet (früher: aus der Grundtabelle abgelesen).
Die so errechnete Einkommensteuer wird verdoppelt.
Dieses Splittingverfahren bewirkt, dass das zu versteuernde Einkommen (zvE) zu gleichen Teilen auf beide Ehegatten verteilt wird. Hierdurch wird das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht auf den einzelnen Ehegatten, sondern auf das Ehepaar als Wirtschaftsgemeinschaft angewendet. Welcher der Ehegatten wie viel zum ehelichen Gesamteinkommen beigetragen hat, ist unerheblich. Das gemeinsame zvE eines gemeinsam veranlagten Paares wird bei diesem Splittingverfahren mit dem gleichen Steuersatz belastet wie das halb so hohe zvE eines einzeln Veranlagten.“

Klingt alles super, oder? Hört sich doch nach „Sparen“ an – Steuern sparen!

Ja, das stimmt, Steuern sparen allerdings lediglich Verpartnerte und Ehegatten. Singles, Getrenntlebende, Verwitwete, Geschiedene mit Kind(ern) gehen leer aus. Bei den Verpartnerten und Ehegatten spart definitiv der Besserverdienende in der Beziehung. Und zwar umso mehr, je geringer das Einkommen des Partners / Ehegatten ist.

Mmhhh, da denkt man schon mal drüber nach in Zeiten der Gleichberechtigung. Also, ich schon … denn
> Zum einen befördert es den Wunsch des Besserverdienenden, der Partner möge doch deutlich weniger bis gar nichts verdienen. Steuerklasse 5, Minijob, Teilzeitarbeit, geringere Karriereaussichten des Partners / Ehegatten werden damit m. E. „befeuert“.
Vornehm ausgedrückt: „Kritisiert wird vor allem, dass der Status Quo in erster Linie Alleinverdiener-Ehepaare mit hohen Einkommen begünstigt und sich negativ auf die Arbeitsanreize von Zweitverdienern – in der Regel Frauen – auswirkt.“
(Quelle: LSW Handbuch im Haufe-Verlag, Editorial Heft 5/2017)

Und ich füge nachdrücklich hinzu:
mit allen Nachteilen, die der Zweitverdiener mit dem Ehegattensplitting in Kauf nimmt, von Karriere- bis Rentenvorsorge- und Vermögenseinbußen!

> Zum anderen benachteiligt es die Steuerpflichtigen mit Kindern. Es ist nämlich völlig „wurscht“, ob Kinder im Haushalt leben oder nicht – das Ehegattensplitting berücksichtigt das individuelle Familienmodell nicht. Hier geht es nur um den Verdienst der beiden Steuerpflichtigen. Ob kinderlos oder nicht.

Da lohnt es sich doch, über dieses Thema zu diskutieren!

Ich weiß, ich weiß: damit Bewegung in die althergebrachten Strukturen kommt, muss auch die Politik Anreize schaffen und die Zweitverdiener oder Zuhause-Bleiber entlasten. Mit Ganztags-Kinderbetreuung, besserer Förderung von Familien, Vereinbarkeit von Elternschaft und Beruf usw. usf.
Das ist richtig.
Ein nicht unwichtiger Punkt hierfür ist jedoch auch die in meinen Augen notwendige Abschaffung des steuerlichen Ehegattensplittings.
An diese Stelle könnte ein Familiensplitting rücken, das tatsächlich Familien in all ihren Facetten beinhaltet. Ob Patchwork, „klassisches“ Modell, Alleinerziehende mit Kind(ern) oder wie auch immer: Eine Familie, ein Splitting.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir gern eine Mail (siehe „Kontakt“), denn ich freue mich auf Ihre Anregungen zu diesem Thema!

Ein Hoffnungsschimmer am Schluss für alle Alleinerziehenden, aufgepasst!
Der Bundesfinanzhof hat kürzlich entschieden, dass die Besteuerung Alleinerziehender nach dem Grundtarif nicht gleichheitswidrig ist.
Die Klägerin hat daraufhin Verfassungsbeschwerde erhoben.
Das Aktenzeichen vor dem Bundesverfassungsgericht lautet: 2 BvR 221/17
Betroffene Alleinerziehende können unter Hinweis auf die nunmehr anhängige Verfassungsbeschwerde Einspruch gegen ihren Steuerbescheid einlegen und auf das Ruhen des Verfahrens kraft Gesetzes verweisen.
(Quelle: LSW Handbuch im Haufe-Verlag, Editorial Heft 5/2017)

Einzelheiten zu einem Einspruchsverfahren und was hierbei zu beachten ist finden Sie hier.

 

Sandra Töpper
(Dipl.-Betriebswirtin)                                                                                           veröffentlicht am 15.06.2017