Diese verflixten Zinsen auf Steuerbeträge – erneutes Update!

In seinem Beschluss vom 25.04.2018 bezweifelt unser oberstes Steuergericht, der Bundesfinanzhof (BFH), die Verfassungsmäßigkeit des Nachzahlungszinssatzes von 6 %! Der BFH-Beschluss trägt das Aktenzeichen IX B 21/18.

Der BFH hat in einem Eilverfahren dem Antrag der Beschwerdeführer, einem steuerpflichtigen Ehepaar, stattgegeben und ihnen Aufschub betreffend der Zinszahlung gewährt, bis über die Beschwerde in der Sache entschieden ist.

Grund für den Aufschub: Der BFH hat große Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe und äußert sich dahingehend, dass der Zinssatz „angesichts des … Niedrigzinsniveaus realitätsfern und gleichheitswidrig“ sei.

Kurz gesagt: Die Zinsen seien zu hoch!

Sie können sich nun an dieses Verfahren gern „dranhängen“, um es mal so salopp auszudrücken, und in Ihrem Einspruch, den Sie selbstverständlich form- und fristgerecht gegen Ihren Zinsbescheid einlegen, das Aktenzeichen als Teil Ihrer Begründung anführen.

Sollten Sie selbst Aufschub Ihrer Zinszahlung erwirken, denken Sie bitte daran: falls Sie nicht obsiegen, laufen die teuren Zinsen von 0,5 % pro Monat „im Hintergrund“ einfach weiter … und müssen eben später nachgezahlt werden.

Nicht dass Sie nachher sagen, ich hätte Sie nicht vorgewarnt …

________________________________________________________________________________________________

Der Hintergrund des Updates in Kürze:

Gemäß § 233 ff. Abgabenordnung werden Steuernachforderungen und Steuererstattungen verzinst. Dabei gilt ein Zinssatz von 0,5 % pro Monat, also 6 Prozent pro Jahr. Die Verzinsung beginnt 15 Monate nach Ablauf des Steuerjahres, beispielsweise für das Steuerjahr 2015 also am 1. April 2017. Der hohe Zinssatz besteht bereits seit mehr als 50 Jahren. Da die Zinsen in den vergangenen Jahren stark gesunken sind, setzt sich z. B. der Bund der Steuerzahler für eine Anpassung des Zinssatzes auf 0,25 % pro Monat bzw. 3 Prozent pro Jahr ein.

Quellen: DATEV Lexinform, Bund der Steuerzahler, Finanzgericht Münster

Wenn Sie den kompletten Wortlaut meines Beitrags zu diesem Thema in Ruhe nachlesen möchten, dann hier der Originaltext vom
15. Mai 2017:

Egal ob bei Steuer-Guthaben oder auf Steuer-Zahllasten, der Fiskus berechnet nach 15 Monaten Laufzeit Zinsen.

Aha! Warum denn Zinsen auf Steuerbeträge?
Weil es so im Gesetz steht, genauer gesagt in der Abgabenordnung.

Wie hoch sind die Zinsen auf Steuerbeträge?
6 % im Jahr = 0,5 % pro Monat.

Ist doch fein, sagen Sie: wenn dann meine Steuererstattung nach über 15 Monaten endlich auf meinem Konto landet, dann bekomme ich doch auch diese sensationelle Verzinsung obendrauf. Da freu ich mich doch!

Ja, das dürfen Sie, aber Sie kennen mich: einen Wermutstropfen muss ich Ihnen dazu wieder verabreichen. Sie müssen diese Guthabenzinsen wieder in Ihrer Einkommensteuererklärung angeben (Anlage KAP). Die Zinsen nach der Abgabenordnung fallen nämlich nicht unter die Abgeltungsteuer mit 25 % Pauschalsteuersatz. Sie werden vielmehr nach ihrem tariflichen, individuellen Steuersatz besteuert. Sofern sie insgesamt – also mit allen anderen Guthabenzinsen – den Freibetrag für Kapitalerträge (801 € für Ledige und 1.602 € für Ehegatten oder Verpartnerte) übersteigen.

Der Schmerz ist noch heftiger, wenn es um Zinsen geht, die zusätzlich zu Ihrer Steuernachzahlung zu leisten sind.

Auch hier beginnt der Zinslauf nach 15 Monaten.
Beispiel: Ihren Einkommensteuerbescheid 2015 hat das Finanzamt am 3. Mai 2017 erstellt. Der Zinslauf beginnt am 1. April 2017 mit 0,5 % für jeden vollen Monat. In diesem Beispiel also 1 Monat à 0,5 % auf die abschließende Zahllast.

Die Zinsen kommen auf Ihre Zahllast obendrauf und sind von Ihnen mit der Einkommensteuer zusammen zu begleichen.

Jetzt sagen Sie: ist nicht schön, aber kann ich doch bestimmt auch absetzen?
Und ich muss Sie wieder enttäuschen: nein, dürfen Sie nicht absetzen.

Kann man evtl. als nicht gerecht empfinden, da im Gegenzug die Guthabenzinsen zu versteuern sind …

Außerdem empfinden viele Steuerzahler die Höhe der Zinsen mit 6 % im Jahr als zu viel angesichts der Finanzlage Europas und dem historischen Niedrigzins der Geldinstitute.

Hier gibt es jetzt einen Lichtblick!
Mit dieser Frage:
„Ist der Zinssatz für Steuernachzahlungen und -erstattungen überhaupt noch zeitgemäß?“
befasst sich derzeit unser oberstes Steuergericht, der Bundesfinanzhof.
Auch in der Politik wird die Frage aktuell diskutiert. Es gibt bereits Vorschläge, den Zinssatz zu halbieren – von 6 % auf 3 %.
Die Finanzverwaltung scheut verständlicherweise den damit verbundenen Verwaltungsaufwand
und packt das heiße Eisen daher nicht freiwillig mit der Kneifzange an.

Sollten Sie also gegen festgesetzte Zinsen für Steuernachzahlungen vorgehen wollen, legen Sie bitte innerhalb eines Monats nach Eingang  E i n s p r u c h  ein gegen den Zinsbescheid!
(Der Zinsbescheid ist in Ihrem Einkommensteuerbescheid enthalten, ja tatsächlich, aber Sie wollen ja alles richtig machen und daher mein guter Tipp: Einspruch gegen den Zinsbescheid!)
Als Begründung berufen Sie sich auf das anhängige Verfahren vor dem Bundesfinanzhof mit dem Aktenzeichen BFH I R 77/75.
Jetzt müssen Sie abwarten, wie der Bundesfinanzhof den Fall entscheidet. Das kann dauern. Daher beantragen Sie am Ende Ihrer Begründung des Einspruchsschreibens bitte so lange ein Ruhen Ihres Verfahrens. Das hält Ihren Fall ebenfalls offen bis der Bundesfinanzhof sich in einem Gerichtsurteil äußert.

Warten wir also ab, ob die Rechtsprechung den Gesetzgeber zu einer Anpassung der Zinssätze an aktuelle Verhältnisse anhalten wird.

Ihre Steuerberaterin Andrea Fritsch                                                                                                                veröffentlicht am 15. Mai 2017