Ausbildungskosten – jetzt mal ganz einfach erklärt.

Für die meisten von Ihnen hat diese Frage der Ausbildungskosten mehr oder weniger Bezug zu den eigenen Kindern. Denn es geht ja um die Kosten für eine erste Ausbildung! Erste Ausbildung?

Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium.

Sie wissen schon, da kann bereits einiges zusammenkommen im Studium oder in der guten alten Lehre:

Fahrten zur Uni / zum Lehrherrn / zur Berufsschule,
Unterbringung, sprich: Miete in einer anderen Stadt für den Junior,
Wohngemeinschaft / Studentenbude für den Sprößling,
Fahrten zur Lerngemeinschaft,
Studiengebühren,
Lehrmaterialien wie Fachbücher, Aktentaschen
usw. usw.

Meist haben Studenten wenig bis gar kein Einkommen. Auszubildende in der Lehre haben ein eher geringes Einkommen.
Dagegen stehen die Ausbildungskosten. Die habe ich oben bereits beispielhaft aufgezählt. Die Frage lautet: was mache ich oder was macht mein Kind damit jetzt steuerlich?

Ja, wenn die Antwort so einfach wäre, bräuchten wir diesen Blogbeitrag nicht – ganz klar. Nun, sie ist nicht einfach, dennoch möchte ich versuchen, sie so einfach wie möglich darzustellen:

Da prallen jetzt die Interessen von Mr. Fiskus sowie die Interessen der Auszubildenden & ihrer Eltern naturgemäß aufeinander.
Das Finanzamt möchte so wenig wie möglich gelten lassen,
Eltern möchten für ihren Sprössling so viel wie möglich herausholen.

Finanzamt sagt also: Liebe(r) Azubi / Studentin / Azubine / Student, Du darfst Deine Kosten bis maximal 6.000,00 EUR  in Deiner Einkommensteuererklärung geltend machen. Als sogenannte Sonderausgaben.
Anmerkung der Redaktion: Nützt dem Kind herzlich wenig, wenn es wenig bis gar keine Einnahmen hat. Sonderausgaben wirken sich also wenig bis gar nicht steuerlich für Ihren Junior aus. Grund: bei Sonderausgaben geht’s nicht in’s Minus bei der Berechnung des Einkommens. Schade.

Eltern wollen „mehr“ für ihr Kind. Wie machen sie das?
Mit Trick 17: Sie machen die gesamten Ausbildungskosten geltend. Schön einzeln und säuberlich aufgeschrieben. Vorhandene Belege sind steuerliche Nachweise, also allesamt aufheben! Die Ausbildungskosten werden als sogenannte Werbungskosten oder auch Betriebsausgaben bei einer einzelnen Einkunftsart geltend gemacht.

Beispiel:
Kind studiert Jura (ja, ich weiß, Klischee). Was das Kind warum studiert, soll uns jetzt mal egal sein, denn es ist nur ein Beispiel!
Der Junior will später mal als Rechtsanwalt in eigener Kanzlei selbständig arbeiten.
Was macht er also? Er setzt die schöne Summe seines Ritts auf der Juristerei fein säuberlich als vorweggenommene Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit in der Anlage S an:

Einnahmen = 0,00 EUR
Studienkosten als Betriebsausgaben sagen wir 8.250,50 EUR für das Jahr 2015
macht einen sauberen (vorweggenommenen) Verlust aus Selbständiger Arbeit 2015 von -8.250,50 EUR.

Ein weiteres Beispiel:
Kind studiert Medizin (es lebe das Klischee!) und will später mal als Chefchirurg im renommierten Klinikum XY angestellt sein.
Was macht es also? Es setzt die schöne Summe seines Chefarzt-Studiums fein säuberlich als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in der Anlage N an:

Einnahmen aus einem Nebenjob als Barkeeper (das Studium will ja irgendwie verdient werden) = 7.200,00 EUR
Werbungskosten, sagen wir 12.869,00 EUR für das Jahr 2016
ergibt summa summarum negative Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 2016 von -5.669,00 EUR.

Ei wie fein, sagen Sie sich jetzt als Eltern, das ist doch mal ein schönes Steuersparmodell!

Denn natürlich wissen Sie, dass solche Verluste oder auch negative Einkünfte wie ich sie hier beispielhaft berechne, vorgetragen werden können in eine andere Zeit. Quasi in die Zukunft. Eine Zeit, in der Ihre Kinder Einnahmen haben werden. Aus der eigenen Rechtsanwaltskanzlei. Aus der Tätigkeit als Chefarzt im Krankenhaus. Auch wenn das heute noch wie Zukunftsmusik klingt. Sie vergessen diese Träume und Visionen nicht, denn Ihr Kind nimmt dieses „Minus“, das wir da jetzt gerade gemeinsam errechnet haben, in einem „Rucksack“ mit in die nächsten Jahre. Und packt den Rucksack erst wieder aus, wenn sich das nächste „Plus“ ergibt. Aus welcher Arbeit auch immer. Das muss nicht die angestrebte Tätigkeit sein!

Und dann wird abgerechnet:
ein Plus aus einer wie auch immer gearteten Arbeit
minus die Verluste / negativen Einkünfte aus der Lehre oder dem Studium, die es aus dem Rucksack als Packerl der Vorjahre holt.
Hübsch verrechnen. Drückt die Einkünfte und die Steuer nach unten. Fein.

Übrigens: Der Rucksack nennt sich steuerlich „Verlustvortrag“. Darüber muss ein Bescheid existieren. Stellt das Finanzamt keinen Bescheid über einen solchen Verlustvortrag aus, nützt unser ganzes, schönes Steuersparmodell nix.

Dann ginge mein Blogbeitrag hier komplett in’s Leere.

Und damit das nicht passiert – ich will ja nicht vergebens schreiben! –  mache ich Sie nun auf das Wichtigste aufmerksam:
Diese ganze Prozedur mit den Verlustvorträgen „schmeckt“ dem Fiskus noch nicht. Deshalb gibt es Streit. Der Streit war schon vor den Finanzgerichten und dem Bundesfinanzhof (unserem höchsten Steuergericht) gelandet. Und heute liegt er beim Bundesverfassungsgericht.

Will heißen: wenn Sie also für Ihr Kind alle steuerlichen Möglichkeiten offen halten wollen, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als eine eigene Einkommensteuererklärung des Sohnemanns oder der Tochter abzugeben. Auch und gerade wenn das Kind keine oder nur wenige Einnahmen hat. Darin deklarieren Sie also alle Einnahmen und Ausgaben in der entsprechenden Anlage, je nach Einkunftsart.
Machen Sie unbedingt im Mantelbogen (das ist das erste Formular mit der Kurzbezeichnung ESt1A) ein Kreuzchen oben bei der Option „Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags“ ! Unbedingt!

Dann geben Sie die Einkommensteuererklärung bei Mr. Fiskus ab und warten auf einen oder besser zwei (!) Bescheide.
Kommt nur einer und der nennt sich lediglich „Einkommensteuerbescheid“, dann ist das definitiv zu wenig.
Dann stellen Sie flugs (und flugs heißt: innerhalb eines Monats!) einen weiteren Antrag bei Mr. Fiskus, dass Sie bitte einen Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags per 31.12.XX in Händen halten möchten.
Versäumen Sie das nicht, sonst war alle Mühe vergebens!

Kommen zwei Bescheide, schon besser. Einer sollte der Einkommensteuerbescheid, der andere der Verlustfeststellungsbescheid sein. Prüfen Sie bitte, ob der Verlust korrekt festgestellt ist. Wenn ja, Glückwunsch! Alles richtig gemacht! Sie können sich zurücklehnen und haben nichts versäumt.
Verlust nicht korrekt? –> Einspruch gegen den Verlustfeststellungsbescheid innerhalb eines Monats!
Wie das en détail geht, lesen Sie hier: https://steuerberatung-fritsch.de/steuerbescheid-und-wie-weiter/

Wer nun diesen langen Blogbeitrag bis hierhin durchgehalten hat, schafft jetzt bestimmt auch noch ganz locker mein

Fazit:

Der Ausschluss von Erstausbildungskosten vom Abzug als Werbungskosten oder Betriebsausgaben ist umstritten und liegt derzeit zur Entscheidung beim Bundesverfassungsgericht.
Ausbildungskosten sollten Sie dem Finanzamt gegenüber unbedingt deklarieren. Kosten für die Erstausbildung können meines Erachtens sehr wohl beruflich veranlasst sein (was denn sonst?). Halten Sie für diese Jahre die Einkommensteuerbescheide offen und bestehen Sie in einem weiteren Verfahren auf einem Verlustfeststellungsbescheid! Nur dann haben Sie Chancen auf Verrechnung in späteren Jahren. Diese Verrechnung brächte Ihnen bzw. Ihren Junioren – sofern die strittigen Verfahren vom Bundesverfassungsgericht zugunsten der Steuerpflichtigen beschieden würden – bares Geld.

In diesem Sinne – hoffen wir auf einen guten Ausgang des Verfahrens!
Ihre Steuerberaterin Andrea Fritsch

veröffentlicht am 15. Dezember 2016