Vorabanforderung von Steuererklärungen

Ist Ihnen das auch schon widerfahren? Die vorzeitige Anforderung der Steuererklärung?

Da fordert Ihr Finanzamt Sie einfach zur vorzeitigen Abgabe Ihrer Einkommensteuererklärung auf!
In Ihren Augen kommt sowas natürlich immer „zur Unzeit“ und da sind Sie erst einmal empört:

Die allgemein bekannte Frist zur Abgabe ist ja noch nicht einmal in Sicht, sagen Sie!

Ja, darf mein Finanzamt das denn einfach mit mir machen? Ich soll die Steuererklärung früher abgeben als nötig? Muss ich?

Dazu gebe ich Ihnen nun ein wenig Hintergrundwissen an die Hand:

Dem Finanzamt bleibt es vorbehalten, Ihre Erklärung für einen Zeitpunkt vor Ablauf dieser allgemeinen Abgabefrist anzufordern.
Es handelt sich hier um eine sogenannte (Achtung: trockenes Behördendeutsch!) Ermessensentscheidung.
Mmhhh, jaaa, deeehnbarer Begriff: Ermessensentscheidung.
Was ist noch Ermessen, was nicht mehr erlaubt?
Im Behörden-Jargon: was ist „verhältnismäßig“? Welchen Spielraum darf das Finanzamt also nutzen?
Ich nenne hier einmal drei willkürlich ausgesuchte Beispiele, wann Ihr Finanzamt evtl. vorzeitig Ihre Steuererklärung anfordern darf:
> Es ist mit einer relativ hohen Abschlusszahlung zu rechnen.
> Die Arbeitslage der Behörde erlaubt es, weitere Steuerfälle vorzuziehen (Ihr Sachbearbeiter hat also ggf. „noch Luft“).
> Es ergaben sich erhebliche Veränderungen in Ihren Einkunftsquellen (z. B. Eröffnung eines Betriebs, Wegfall von Einkünften, Umsatz- / Gewinnsteigerungen).
Der Fiskus nennt das in seiner Geheimsprache „Fälle mit hohem Risikogehalt“.

Und genau weil solch ein Behördenermessen immer ein recht deeehnbarer Begriff ist und bleiben wird, stellt der Gesetzgeber auch hohe Anforderungen an dieses Schreiben, das Sie da vielleicht gerade in den Händen halten – und sich evtl. drüber ärgern …

Begründungszwang

Die Ermessensentscheidung muss begründet werden. Aus der Begründung muss erkennbar und nachprüfbar hervorgehen, welche Überlegungen den Fiskus dazu gebracht haben, Ihre Steuererklärung vorzeitig anzufordern.

Unbegründete oder auch nur unzureichend begründete Entscheidungen müssen Sie nicht hinnehmen!
Die formelhafte Begründung, das Finanzamt handele „im Interesse“ einer ordnungsgemäßen Durchführung des Besteuerungsverfahrens (???) lässt Sie als Laien mit Sicherheit nicht erkennen, aus welchem konkreten Grund Ihre Abgabefrist nun verkürzt wurde.

Also wehren Sie sich. Fein. Wie machen Sie das?
Mein Lieblingssatz: Ganz klar, Sie legen E i n s p r u c h ein! Gegen die vorzeitige Anforderung der Steuererklärung.
Die Einspruchsfrist beträgt genau einen Monat, gerechnet ab dem Zeitpunkt an dem Sie die Vorabanforderung in den Händen hielten.
Einspruch bitte immer schriftlich (das ist die Formvorschrift),
innerhalb der Monatsfrist (das ist das Wichtigste!)
und am besten mit einer Begründung.
Begründen Sie Ihren Einspruch doch einfach damit, dass Ihnen die Begründung des Finanzamts fehlt – das hat doch was!

Und dann warten Sie ab, was passiert.
Meine Prognose: der Fiskus wird versuchen, den Begründungsmangel der Vorab-Anforderung durch das „Nachschieben“ einer Begründung zu beseitigen.
Die gucken Sie sich kritisch an und entscheiden dann für sich, ob nun daraus erkennbar und nachprüfbar hervorgeht, welche Erwägungen den Fiskus dazu gebracht haben, Ihre Steuererklärung vorzeitig anzufordern.

Zu guter Letzt:
Die Finanzbehörde muss bei vorzeitiger Anforderung der Steuererklärung auch zeitnah bearbeiten. Das Sächsische Finanzgericht hat z. B. in einem Fall entscheiden müssen. Da hatte die Finanzbehörde angesichts einer Bearbeitungsdauer von annähernd sechs Kalendermonaten ihre eigene Argumentation, eine vorzeitige Anforderung der Steuererklärung sei nötig gewesen, selbst widerlegt.

Das sehen Sie doch auch so, oder?

Bleiben Sie am Ball!

Ihre Steuerberaterin Andrea Fritsch                                                                                                    veröffentlicht 1. Mai 2017