Heute wollen wir uns mal mit der ungeliebten Umsatzsteuer auseinandersetzen – hierfür nehmen wir unser Umsatzsteuer-Prüfschema zu Hilfe, das unser Auszubildender mit seiner Ausbilderin zusammen entworfen hat. Igitt, sagen Sie? … Ach, sagen Sie das nicht, mit dem richtigen Prüfschema an der Hand ist auch die Umsatzsteuer gar nicht so eine groooße Hexerei (das muss mittlerweile sogar der Azubi feststellen)!

Einziger Wermutstropfen: ohne ein bißchen Gesetzestext geht es dann leider doch nicht. Aber beginnen wir von vorn!

Fünf Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG wollen geprüft werden:

1/ Handelt es sich um eine Lieferung und / oder eine sonstige Leistung (in Kürze: L + L)?

2/ Führt diese L + L ein  U n t e r n e h m e r  aus?

3/ Wird die L + L im  I n l a n d  ausgeführt?

4/ Erhält der Liefernde / Leistende für die L + L ein  E n t g e l t ?

5/ Führt der Liefernde / Leistende die L + L  im Rahmen seines Unternehmens (und das bedeutet: nicht als Privatperson) aus?

 

Jetzt arbeiten wir diese Voraussetzungen mal ganz schematisch ab:

Steuerbar (im Inland) ist die L + L nur dann, wenn  sämtliche  (!) fünf Voraussetzungen erfüllt sind!

Fehlt nur eine dieser Voraussetzungen, ist die Prüfung beendet, weil die Rechtsfolge heißt: im INLAND nicht steuerbar! (Kann ggf. jedoch im Ausland steuerbar sein … das steht auf einem anderen Blatt.)

Erste Frage im Umsatzsteuer-Prüfschema:
Handelt es sich um eine Lieferung oder Leistung?

Und schon springen wir in den § 3 des Umsatzsteuergesetzes:

§ 3 Abs. 1 bis Abs. 8 UStG regelt die Lieferungen. Besonderheit: die Werklieferung findet sich in § 3 Abs. 4 UStG!

Definition Lieferungen: hier verschafft der Unternehmer dem Beteiligten (oder auch einem Dritten) die Verfügungsmacht über einen Gegenstand. Nennen Sie es z. B. „Übergabe“, wenn Sie wollen. Übergabe muss allerdings nicht immer „körperlich“ stattfinden.

§ 3 Abs. 9 und § 3 Abs. 9 a UStG regelt die Sonstigen Leistungen.

Definition Leistungen ist einfach: Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind.

§ 3 Abs. 10 UStG regelt die Werkleistung.

§ 3 Abs. 12 UStG regelt den Tausch oder tauschähnlichen Umsatz.

 

Zweite Frage im Prüfschema:
Handelt es sich bei dem Liefernden / Leistenden um einen Unternehmer?

Definition Unternehmer in § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG: Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt.

Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG).

Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Achtung! Der Gewinnbegriff hat in dieser Definition nichts zu suchen!

 

Dritte Frage im Umsatzsteuer-Prüfschema:
Wird die Lieferung oder sonstige Leistung im Inland ausgeführt?

Oder, vereinfacht, gesagt: WO ist der Ort der L + L?

Thema Lieferung

Bleiben wir zunächst bei dem Gegenstand der Lieferung und stellen die richtigen Fragen:

Wird der Gegenstand zur Ausführung der Lieferung befördert oder versendet? –> Bei bewegter Lieferung (so nennt man, wenn Beförderung oder Versendung erfolgt) gilt § 3 Abs. 6 UStG.

Also „bewegungsabhängige“ Vorschriften prüfen:

§ 3 Abs. 8 UStG (Sonderfall; Fiktion / hängt am Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer)
§ 6 UStG (Ausfuhrlieferung aus dem Drittland) Export
§ 6 a UStG (innergemeinschaftliche Lieferung ins EU-Ausland) Export
§ 1 a UStG (innergemeinschaftlicher Erwerb aus dem EU-Ausland) Import

§ 3 Abs. 6 UStG (Normalo-Fall):

Der Normalo-Fall beinhaltet die Rechtsfolge: Die Lieferung gilt dort als ausgeführt, wo die Bewegung = Beförderung oder Versendung  beginnt !

Zuvor schließen wir noch schnell aus (§ 3 Abs. 6 Satz 5!), dass es sich um ein Reihengeschäft handelt. Definition Reihengeschäft: Mehrere Unternehmer schließen über ein- und denselben Gegenstand ein Geschäft ab und dabei ist von vornherein vereinbart, dass der erste Unternehmer an den letzten Abnehmer = letzten Unternehmer liefern soll und wird.

Wird der Gegenstand nicht befördert oder versendet –> dann gilt § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG.

Rechtsfolge hieraus: Die Lieferung wird dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand bei Verschaffung der Verfügungsmacht (nennen Sie es Übergabe oder nicht) befindet !

So, Fazit, damit wir den Faden erst gar nicht verlieren können: haben wir alle fünf Punkte im Umsatzsteuer-Prüfschema (siehe oben) abgearbeitet, sorgfältig geprüft und jeden einzelnen davon bejahen können, folgern wir daraus nur eines, nämlich in Kürze „Der Umsatz ist steuerbar!“. Puuhhhh – soviel Lärm um nichts? Nein, das dürfen Sie nicht denken! Mit dieser Schlussfolgerung sind wir schon ein ganzes Stückchen weiter, oder?

Bleiben Sie uns gewogen!

Ihre Steuerberaterin Andrea Fritsch                                                                     (veröffentlicht am 15.09.2017)