Heute mal ein Beitragsbild der „etwas anderen Art“.
Unser Kanzleihund ist ein Dreibeiner. Er benötigt keinerlei Hilfsmittel zum Laufen und hat ein erstaunlich gutes Gefühl für die richtige Balance. Dennoch braucht auch er – behinderungsbedingt – Unterstützung bei den Verrichtungen im Alltag, sei es durch Heilbehandlungen, Medikamente, Hilfsmittel o. ä.
Tissot – so heißt der 3beinige Knabe – diente mir als „Aufhänger“ für meine Überlegungen:
Welche Steuervergünstigungen wegen Behinderung darf ich für meine Mandanten geltend machen?
Bei körperlichen Einschränkungen und entsprechendem Nachweis (Versorgungsamt aus dem In- oder Ausland!) gewährt der Fiskus Steuervergünstigungen wegen Behinderung.
Aufwendungen, die gesunde Menschen in dieser Form nicht oder in deutlich geringerem Umfang haben, können als sogenannte Außergewöhnliche Belastungen die Einkommensteuer mindern.
Hier haben behinderte Menschen ein Wahlrecht zwischen den tatsächlichen Aufwendungen und einem Pauschalbetrag.
Mit dem Ansatz des Pauschalbetrages (im Folgenden: Pauschbetrag) sind die laufenden, typischen unmittelbar durch die Behinderung bedingten Kosten abgegolten.
Die Abgrenzung, was laufend und typisch und unmittelbar behinderungsbedingt ist und welche Steuervergünstigungen wegen Behinderung ggf. neben dem Pauschbetrag zusätzlich geltend gemacht werden können, ist nicht so leicht zu treffen.
Der Umfang meiner Ausführungen würde auch den Rahmen eines Blogbeitrages sprengen, weshalb wir Sie hierzu gern persönlich und individuell beraten!
Eine Auswahl präsentieren wir dennoch, bitteschön:
Fahrtkosten, die durch die Behinderung bedingt sind, dürfen z. B. zusätzlich zum Pauschbetrag angesetzt werden. Die einzelnen Fahrten sind mittels Fahrtenbuch nachzuweisen oder einer Aufstellung zu Ziel und Grund der Fahrt und dürfen mit 0,30 € je gefahrenem Kilometer berechnet werden.
Ohne Nachweis erkennt das Finanzamt grundsätzlich bis zu 3.000 km pro Jahr à 0,30 € an.
Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, blinde oder hilflose Menschen können (mit Nachweisen!)
bis zu 15.000 km à 0,30 € jährlich in Ihrer Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastung eintragen.
Kann man hohe Fahrleistungen des genutzten Pkw aufweisen, dürfen Menschen, die das Merkzeichen aG, Bl oder H im Ausweis tragen, tatsächlich auch mehr Kilometer als die genannten 15.000 km geltend machen. Das Finanzamt nimmt für reine Privatfahrten automatisch 5.000 km an. Die Gesamtfahrleistung des Pkw muss also „stimmen“ bzw. problemlos verprobt werden können. Heben Sie zu diesem Zweck also immer TÜV- und Inspektionsrechnungen auf. Hierauf ist der Kilometerstand automatisch vermerkt.
Unfallkosten gehbehinderter Menschen, die selbst getragen werden (es fließt also keine Entschädigung oder Erstattung hierfür), sind ebenfalls als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, sofern das Finanzamt sie als angemessen erachtet …
Ein deeehnbarer Begriff …
Muss für Menschen mit Merkzeichen aG, Bl oder H im Ausweis das Fahrzeug umgerüstet werden, damit eine Nutzung möglich wird, dürfen die Aufwendungen steuerlich geltend gemacht werden. Voraussetzung: der Steuerpflichtige, sein Partner oder das Kind mit Behinderung ist auf die Nutzung des Pkw angewiesen.
Weitere Steuervergünstigungen wegen Behinderung
Behinderungsbedingte Baumaßnahmen, sprich: Neubau oder Umbau Haus oder Wohnung
Mehraufwendungen für die behindertengerechte Gestaltung können außergewöhnliche Belastungen darstellen.
Achten Sie unbedingt darauf, dass diese Mehraufwendungen in den Rechnungen Ihrer Handwerker und bei den Baumaterialien strikt abgegrenzt, d. h. extra ausgewiesen werden!
Zuschüsse von Versicherungen, Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) usw. müssen Sie sich anrechnen lassen.
Auch hier gilt wieder: Die Aufwendungen sind abziehbar, sofern das Finanzamt sie als angemessen erachtet …
Neben dem Pauschbetrag dürfen Kosten für
> Kur und andere Heilbehandlungen (Ärzte, Medizin)
> Führerschein bei Kindern mit Merkzeichen aG
> spezielle Blindencomputer mit Sprachwiedergabefunktion als medizinische Hilfsmittel
> Medizin
> Betreuung durch eine Begleitperson
bei Menschen mit Merkzeichen B im Ausweis (auch im Urlaub, bis zu max. 767 €!)
berücksichtigt werden.
Steuervergünstigungen wegen Behinderung des Kindes:
Beim Kindergeld erhalten Kinder, die nicht für ihren eigenen Unterhalt sorgen können aufgrund ihrer Behinderung,
über das 25. Lebensjahr hinaus Kindergeldzahlungen. Voraussetzung: die Behinderung bestand bereits vor dem 25. Lebensjahr.
Sollte eine Betreuung durch Dritte notwendig sein, für die Eltern zahlen, dürfen diese Eltern 2/3 der Kosten
– jedoch höchstens 4.000 € – hierfür steuerlich ansetzen.
Auch Unterhaltszahlungen für erwachsene behinderte Kinder dürfen berücksichtigt werden. Gleichzeitig fordert der Fiskus aber, dass nur „maßvolles“ eigenes Vermögen des Kindes vorhanden ist (hier kommt wieder der schöne Begriff „Angemessenheit“ ins Spiel).
Daneben dürfen Sie einen Freibetrag beanspruchen, der den Namen „Bedarfsfreibetrag“ trägt und den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf abgelten helfen soll (Betrag aktuell 1.320 €). Diesen Bedarfsfreibetrag darf das Kind auf seine Eltern übertragen (in der Einkommensteuererklärung der Eltern zu beantragen!), und zwar grundsätzlich hälftig für jedes Elternteil. Grundsätzlich im Steuerrecht heißt: es existieren Ausnahmen …
Pflegen Sie selbst eine hilflose Person und erhalten Sie hierfür keine Einnahmen?
Dann dürfen Sie einen Pflege-Pauschbetrag in Höhe von 924 € für Ihre Aufwendungen beanspruchen. Höhere Aufwendungen sind wieder exakt nachzuweisen!
Fazit: Die Bundesregierung gewährt Steuervergünstigungen wegen Behinderung.
Die Höhe des Pauschbetrags ändert sich je nach – vom Versorgungsamt im In- oder Ausland festgestellten – Grad der Behinderung.
Der Behinderten-Pauschbetrag entspricht lediglich dem Minimum an Kosten, die für den Schweregrad der Behinderung üblicherweise (der Fiskus ist der Ansicht: „nach Lebenserfahrung“) anfallen.
Sie haben ein Wahlrecht zwischen Pauschbetrag und tatsächlichen Kosten.
Trotz Ansatz des Pauschbetrages dürfen Sie den oben aufgezählten übrigen behinderungsbedingten Aufwand geltend machen.
Dennoch sollten Sie einen langen Atem besitzen (das wissen behinderte Menschen aus leidvoller Erfahrung) und sich auf eine abweichende Auffassung der Finanzämter einstellen, wenn hohe Kosten berücksichtigt werden sollen.
Gern teile ich mein Wissen mit Ihnen – sprechen Sie mich an!
Ihre Steuerberaterin Andrea Fritsch veröffentlicht am 15.07.2017