Wintergedicht von James Krüss
Frieda, die letzte
Wintergedicht von James Krüss – Frieda, die letzte
Will das müde Jahr sich neigen,
und der Winter kommt in’s Land
fallen Blätter von den Zweigen
und die Fliegen von der Wand.
Aber unter einer Stiege
wo es warm ist, gibt es meist
eine allerletzte Fliege,
die gewöhnlich Frieda heißt.
Plötzlich hört man in der Diele
fein und ferne ihr Gesumm,
und mit freundlichem Gefühle
dreht sich jeder nach ihr um.
Was im Sommer alle Leute
rasend machte, nämlich dies
Fliegensummen – es klingt heute
wie ein Ton vom Paradies.
Vater, Tochter, Sohn und Mutter
halten bei der Frieda still.
Im Gelee und in der Butter
darf sie schleckern, wie sie will.
Selbst beim Weihnachtsfest, man denke
liegen wie ein süßer Traum
klitzekleine Festgeschenke
für die Frieda unterm Baum.
Nuss- und Schokoladeschnitzel,
Krumen mit Rosinen drin,
hier ein Bitzel, da ein Bitzel
legt man für die Frieda hin.
Dass die Frieda sich tatsächlich
bei den Gaben niederlässt,
wenn auch flink und oberflächlich,
ist der Höhepunkt vom Fest.
Die Familie ruft: „Wie reizend“,
als die Frieda Rotwein säuft
und – die Fliegenflügel spreizend –
über die Rosinen läuft.
Diese Fliege, liebe Leute,
diese Fliege hat es fein!
Darum möcht‘ auch ich im Winter
mal die letzte Fliege sein.